S&P 500: Kräftige Käufe vor Schlüsseltagen … gewagt!

von Ronald Gehrt
29.04.2025 | 08:32 Uhr

Die Analysen von Ronald Gehrt basieren auf einer Kombination fundamentaler Fakten und Daten mit der aktuellen chart- und markttechnischen Situation des/der hier vorgestellten Index/Rohstoffs/Währungspaars/Aktie. Bilanz- und Konjunkturdaten sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fakten, Nachrichten und/oder Statements werden als Grundlage zur Beurteilung der charttechnischen und markttechnischen Perspektive des untersuchten Werts analysiert.

Der S&P 500 hat jetzt in etwa die Hälfte seines massiven Abstiegs korrigiert. Rein charttechnisch betrachtet haben die Bullen in den vergangenen Tagen wichtige Punkte gemacht. Aber was treibt die Käufer in diesem Umfeld eigentlich an?

Der marktbreite S&P 500 als idealer Repräsentant des gesamten US-Aktienmarkts ist zwar deutlich weiter von seinen Rekordhochs entfernt als beispielsweise unser DAX. Aber die Basis dessen, was im Moment die Weltwirtschaft umtreibt, liegt ja auch nicht hier bei uns, sondern in den USA. Und diese Probleme, allen voran die Zoll-Thematik, sind alle noch da.

S&P 500 Index: Monatschart vom 28.04.2025, Kurs 5.528,75 Punkte, Kürzel: SPX | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
S&P 500 Index: Monatschart vom 28.04.2025, Kurs 5.528,75 Punkte, Kürzel: SPX | Quelle: TWS

Zwar hat Donald Trump von US-Notenbankchef Powell erst einmal abgelassen und einige Zölle für eine befristete Zeit ausgesetzt. Aber Letzteres zweifellos nur, weil der Markt empört reagierte und Trumps Juristen keinen Weg fanden, durchzusetzen, was der US-Präsident wollte: Die Entlassung des Notenbankchefs, um ihn gegen jemanden zu ersetzen, der tut, was er, der Präsident, will. Sein Wille, die Geldpolitik bestimmen zu können, ist damit nicht vom Tisch und bleibt ein andauerndes Risiko.

Und wie es mit den Zöllen weitergeht, weiss niemand. Derzeit gelten z.B. für die EU diese „Sockelzölle“ von zehn Prozent, aber bislang gibt es keinerlei Gespräche mit der EU über eine Einigung, während das 90-Tage-Moratorium läuft. 20 Tage sind bereits verstrichen. Und selbst wenn man es schaffen würde, binnen dieser 90 Tage „Deals“ mit vielen Ländern zu erzielen: Solche Deals wären allesamt zweitrangig, wenn man sich nicht mit China einigt.

Und es ist schwer vorstellbar, dass all diejenigen, die in den vergangenen Tagen eingestiegen sind nicht bemerkt haben, dass China mehrfach klar dementiert hat, dass es, wie Donald Trump wiederum mehrfach erklärte, Gespräche gebe. Zumindest nicht zum Thema Zölle. Und was hätte China davon, die Unwahrheit zu sagen?

Das, was den S&P 500 im März und April zu Boden schickte, ist also alles noch da. Sicher, von den bislang eingelaufenen Unternehmensbilanzen fielen viele gut aus. Aber auch da ist kaum anzunehmen, dass die bullischen Trader nicht verstanden hätten, dass diese Zahlen eine Zeitspanne beleuchten, die grossenteils vor der echten Eskalation der Lage lag. Worauf es jetzt ankommt, ist das laufende Quartal … und was in diesen drei Monaten passiert. Für die aktuelle Stärke des Index gäbe es also in Bezug auf die Rahmenbedingungen keine Entsprechung. Und damit nicht genug:

In den kommenden Tagen kommen immens viele wichtige Daten auf den Markt zu. Quartalszahlen, u.a. von Microsoft, Apple und Amazon. Das US-Verbrauchervertrauen des Conference Board. Die Arbeitsmarktaten für den April. Und dann auch noch die erste Berechnung des US-Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal. Und da wird im Vorfeld beherzt zugelangt? Wie ist das zu erklären?

Den aktuellen Kurs und Chart des S&P 500 sowie Kursinformationen und alle Aktien des Index finden Sie hier.

Expertenmeinung: Man kann den Marktteilnehmern nicht in die Köpfe schauen, daher können Versuche, ein tendenziell unlogisches Marktverhalten zu erklären, immer nur Mutmassungen sein. Aber hier könnten momentan drei Faktoren zusammenkommen:

Erstens ist durchaus denkbar, dass viele Marktteilnehmer die Risiken aufgrund deren Komplexität nicht wirklich durchdringen und einfach blind darauf setzen, dass, was stark gefallen ist, auch stark steigen wird. Immerhin hat das in früheren Jahren oft funktioniert. Und wer glaubt, gerade eine perfekte Gewinnchance vor sich zu haben und eingestiegen ist, neigt dazu, aus dem Wörtchen „oft“ im Geiste ein „immer“ zu machen.

Zweitens dürften grosse Adressen sehr daran interessiert sein, dass die US-Aktienindizes eine optimistische Grundstimmung liefern, wenn es jetzt in diese Tage mit den oben erwähnten, geballten Zahlen und Daten geht. Denn sie wissen sehr wohl, dass unschöne Überraschungen weit weniger zu Abgabedruck führen, wenn die Tendenz im Vorfeld aufwärts weist.

Drittens haben rein technisch agierende Akteure, ob Trader oder Handelsprogramme, jetzt zumindest auf kurzfristiger Ebene ein bullisches Umfeld. Wir sehen im Chart auf Tagesbasis, dass der Index die Februar-Abwärtstrendlinie gerade, wenn auch eher knapp, bezwungen hat, die Marktechnik noch nicht wieder überkauft ist und mit dem Überwinden des 50-Prozent-Korrekturlevels (um 5.490 Punkte) auch die Charthürde in Form des März-Tiefs bei 5.505 Punkten überboten wurde. Die nächsten Widerstände von Bedeutung liegen erst in der Zone 5.651/5.696 Punkte.

Zusammengefasst liesse sich festhalten: Wir sehen hier gerade eine Kombination aus kurzfristig tadellos aufwärts weisendem Trend, grossen Hoffnungen und dem Versuch grosser Adressen, aus einem verloren geglaubten Monat, der massive Anschlussverkäufe seitens der Anleger hätte nach sich ziehen können, ein Argument zu machen, investiert zu bleiben.

All das kann den S&P 500 auch in und über diese nächste Widerstandszone 5.651/5.696 Punkte tragen. Aber nur, wenn all die jetzt anstehenden Daten „passen“ und es keine unangenehmen Überraschungen aus dem Weissen Haus mehr gibt. Und da das nicht unbedingt etwas ist, worauf man Haus und Hof wetten würde, wäre es, sofern man hier Long ist, besser, regelmässig nach unten zu sehen.

Aktuell wäre die Schlüsselzone, die halten muss, um die Chancen nach oben zu wahren, das Gap von 22. auf den 23. April. Würde diese Kurslücke mit Schlusskursen unter 5.287 Punkten geschlossen und der Index dreht nicht nach oben, sondern fällt weiter … wodurch er auch die steile, kurzfristige Aufwärtstrendlinie brechen würde … brennt hier etwas an! 

S&P 500 Index: Tageschart vom 28.04.2025, Kurs 5.528,75 Punkte, Kürzel: SPX | Quelle: TWS | Online Broker LYNX
S&P 500 Index: Tageschart vom 28.04.2025, Kurs 5.528,75 Punkte, Kürzel: SPX | Quelle: TWS

Wir beabsichtigen nicht, diesen Artikel zu aktualisieren. In Zukunft können aber Analysen zum selben Finanzinstrument veröffentlicht werden.

Sie möchten an der Börse handeln?

Nutzen Sie für Ihre Börsengeschäfte ein Depot über den Online-Broker LYNX. Alles aus einer Hand: Aktien kaufen, Optionen handeln, Futures traden oder in ETFs investieren.

Informieren Sie sich hier über den Online Broker LYNX.


Nach dem Abitur 1984 studierte der gebürtige Hamburger an der Universität der Bundeswehr Betriebswirtschaftslehre. Im Anschluss an seine Dienstzeit als Offizier begann seine Zeit als Analyst und Finanzjournalist. Seit 1996 war und ist er als Redakteur, Referent und Kolumnist in zahlreichen Funktionen aktiv, seit 2016 ist er unter anderem Analyst bei LYNX. Gehrt ist ein Allrounder, der in der fundamentalen, d.h. volks- und betriebswirtschaftlichen Analyse ebenso sattelfest agiert wie in den verschiedenen Disziplinen der Technischen Analyse wie Chart- und Markttechnik und Sentinentanalyse.

Nachricht schicken an Ronald Gehrt
  • Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.
Sie möchten an der Börse handeln?

Nutzen Sie für Ihre Börsengeschäfte ein Depot über den Online-Broker LYNX. Alles aus einer Hand: Aktien kaufen, Optionen handeln, Futures traden oder in ETFs investieren.

Informieren Sie sich hier über den Online Broker LYNX.