Bei Sea sieht es immer besser aus, die gestrigen Quartalszahlen wurden euphorisch aufgenommen. Zeitweise war die Aktie 20 % im Plus.
Die Verlierer von heute
In einer der vorherigen Analysen zu Sea hatte ich geschrieben, dass die Verlierer von heute oft die Gewinner von morgen sind.
Die Aktie ist ein Paradebeispiel dafür, wie überzogen das Kursgeschehen an der Börse ist.
Das gilt für Einzelaktien wie auch für den gesamten Markt. Denken Sie nur an die Rallye von 2021, bei der Wachstumsaktien von Sea die unglaublichsten Kursgewinne verzeichnet haben.
Doch auch der S&P 500 kannte über Monate hinweg nur eine Richtung. Anschliessend ging es monatelang abwärts, und das nur aus dem Grund, dass eine Rezession erwartet wurde. Eine echte Rezession war nicht mal notwendig.
In einer ähnlichen Situation befinden wir uns auch heute. Genug dunkle Wolken am Horizont könnten schon ausreichen, um die Rallye zu beenden. Bis das passiert, können noch Wochen oder Monate vergehen, doch am Ende geschieht das Unausweichliche.
Diesen Zyklus müssen Sie verstehen
Kommen wir zurück zu Sea. Einer Aktie, die exemplarisch für den Irrsinn der Börse steht.
Die Muster sind immer dieselben, es ändern sich nur die Namen.
Wenn es mit den Kursen aufwärts geht, werden die Erwartungen immer weiter in die Höhe geschraubt und Anleger konzentrieren sich ausschliesslich auf die Argumente, die für die Aktie sprechen.
Die Rallye befeuerte sich selbst, bis der Siedepunkt erreicht ist und die Käufer ausgehen. Es gibt einfach keinen mehr, der noch kaufen könnte.
Sobald es dann abwärts geht, beginnen die Zweifel. Erste Anleger ziehen die Reissleine, Stopps werden ausgelöst.
Der Fokus verlagert sich von all den positiven Argumenten zu den Problemfeldern. In dem konkreten Fall von Sea war das die fehlende Profitabilität und das rückläufige Geschäft im Gaming-Segment.
Wer hätte erwarten können, dass weniger online gespielt wird, sobald die Menschen wieder vor die Türe dürfen …?
Das Sentiment sinkt langsam, aber sicher auf den Nullpunkt und es beginnt eine Phase der Depression.
Gute Nachrichten und die Fortschritte, die ein Unternehmen erzielt, werden in dieser Phase ignoriert. Das geht so lange, bis es nicht mehr geht.
Bei Sea hat diese Phase der Ignoranz mehr als zwei Jahre angehalten, obwohl man in dieser Zeit den Sprung in die Profitabilität vollzogen und den Umsatz von 4,48 auf 13,06 Mrd. USD gesteigert hat.
Nachdem die Kurse spürbar gestiegen sind, ändert sich das Sentiment und wird zunehmend positiver. Das Spiel kann von Neuem beginnen und wir befinden uns wieder bei „Diesen Zyklus müssen Sie verstehen“.
Die Phase der Ignoranz
Wer antizyklisch investiert, versucht, diese Phase der Ignoranz für sich zu nutzen. Man wird in den seltensten Fällen genau das Tief erwischen oder genau zu dem Zeitpunkt investieren, in dem ein neuer Aufwärtstrend beginnt, doch am Ende lohnt es sich.
Wer beispielsweise Mitte 2022 in Sea eingestiegen ist, hat alles andere als einen optimalen Zeitpunkt oder Kurs zum Einstieg gewählt. Aber was spielt das für eine Rolle, wenn man heute 100 % im Plus ist?
Dasselbe gilt für den Crash von 2022. Wer Mitte des Jahres bei 4.000 Punkten in den S&P 500 eingestiegen ist, war Monate zu früh dran und hätte später noch wesentlich günstiger einsteigen können.
Wer die Angst überwinden kann, nicht den optimalen Zeitpunkt und Kurs zu erwischen, wird am Ende dafür belohnt (gute Analysearbeit vorausgesetzt).
Daher hatte ich mich in dieser Phase der Ignoranz mehrfach positiv zu Sea geäussert, zuletzt bei einem Kurs von 55,63 USD:
Dieses Unternehmen hat mehr als 500 Millionen aktive Kunden
Wachstumsdynamik nimmt erheblich zu
Gestern hat Sea ein Update zum dritten Quartal vorgelegt und dadurch einen Kurssprung um 10 % ausgelöst. Zeitweise war die Aktie sogar 20 % im Plus.
Der Gewinn lag mit 0,24 USD im Rahmen der Erwartungen. Mit einem Umsatz von 4,33 Mrd. USD hat man die Analystenschätzungen von 4,12 Mrd. USD jedoch deutlich übertroffen.
Auf Jahressicht entspricht das einem Umsatzplus um 30,8 % und einer Kehrwende der Profitabilität. Das Ergebnis hat sich von -0,26 auf +0,24 USD je Aktie verbessert.
Darüber hinaus ist es zu einer erheblichen Beschleunigung der Wachstumsdynamik gekommen. Im ersten Quartal hat man ein Wachstum von 22,8 % verzeichnet und im zweiten Quartal 23,0 %.
Das einstige Kerngeschäft für Online-Gaming Garena („Digital Entertainment“) verzeichnete zwar einen Umsatzrückgang auf 592,2 Mio. USD, war jedoch hochprofitabel und konnte das EBITDA um 34,4 % auf 314,4 Mio. USD steigern.
Ausblick und Bewertung
Der zweite Geschäftsbereich ist Shopee („E-Commerce“) und verzeichnete ein Umsatzplus von 42,6 % auf 3,2 Mrd. USD, das EBITDA verbesserte sich von -346,5 auf +34,4 Mio. USD.
Der dritte Geschäftsbereich, der hauseigene Zahlungsdienstleister SeaMoney („Digital Financial Service“), der aus meiner Sicht das Kronjuwel und eine potenzielle Cashcow ist, konnte den Umsatz um 38 % auf 615,7 Mio. USD und das EBITDA um 13,4 % auf 187,9 Mio. USD steigern.
Fazit
Sea ist gut aufgestellt, um von der wachsenden Bevölkerung und dem zunehmenden Wohlstand in den ASEAN-Staaten zu profitieren. Alle drei Geschäftsbereiche sind gut aufgestellt. Das Gaming-Geschäft ist hochprofitabel und liefert das notwendige Kapital, um die Expansion im E-Commerce-Bereich zu finanzieren. In diesem Segment hat man sich gegen die Konkurrenz von Alibaba, Tencent & Co. durchgesetzt und in mehreren Ländern (Thailand, Vietnam, die Philippinen, Singapur, Malaysia, Indonesien) die Marktführerschaft erkämpft.
Mit SeaMoney wird diese Basis um einen Zahlungsdienstleister ergänzt, der die Zahlungsströme der verschiedenen Plattformen und darüber hinaus abwickelt.
Im laufenden Geschäftsjahr soll sich das Ergebnis auf 1,45 USD je Aktie mehr als verfünffachen. Sea kommt demnach auf eine forward P/E von 74.
Auf den ersten Blick ist das eine erschreckend hohe Bewertung. Aber Sea hat gerade erst den Sprung in die Profitabilität vollzogen und im nächsten Jahr soll sich das Ergebnis nochmal fast verdoppeln.
Die P/E würde dadurch schlagartig auf 40 sinken.
Mit dem Anstieg über 100 – 102 USD wurde ein prozyklisches Kaufsignal mit möglichen Kurszielen bei 126,50 sowie 131 und 150 USD.
Fällt die Aktie jedoch unter 100 USD, muss mit einem erneuten Rücksetzer in Richtung 90 USD gerechnet werden.
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