Nirgends gibt es so viele Binsenweisheiten und schlaue Sprüche wie in der Finanzwelt. “Sell in May and Go Away, but remember to come back in September” ist wohl die bekannteste Börsenregel. Viele dieser Zitate und Sprüche haben ihre eigene Geschichte. Aber was ist eigentlich dran an diesen Börsenweisheiten? Springt für Sie etwas dabei raus, wenn Sie Börsensprichworte und -regeln befolgen oder ist das meiste reiner Aberglaube?
In diesem Artikel nehmen wir einige sehr bekannte, aber auch ein paar eher bizarre Börsenweisheiten unter die Lupe und ermitteln für Sie den „Wahrheitsgehalt“.
1. Sell in May and Go Away, But remember to come back in September.
Dieser allgemein bekannte Ausspruch ist wahrscheinlich eine der ältesten Weisheiten in der Finanzwelt. Der Slogan stammt bereits aus den 1930er Jahren, genauer gesagt aus London. Der ursprüngliche Wortlaut war: „Sell in May and go away, and come back on St. Leger’s Day“ (“Verkaufen Sie im Mai und gehen Sie weg und kommen Sie am St. Leger’s Day zurück”).
Der Spruch bezieht sich auf die Tatsache, dass viele Aristokraten, Kaufleute und Bankiers die Stadt in den heissen Sommermonaten verliessen und im September zurückkehrten. Am St. Leger’s Day wurde traditionell ein Pferderennen ausgetragen, welches jährlich Mitte September stattfand und das Ende des Sommers einläutete. Später verbreitete sich der Spruch in den USA, wo Händler oft zwischen dem Memorial Day (Ende Mai) und dem Labor Day (Anfang September) Urlaub machten.
In den Sommermonaten sei dem Spruch zufolge an der Börse mangels professioneller Trader und niedriger Handelsvolumina nicht viel zu verdienen. Die oft zitierte Aussage wurde in den letzten Jahrzehnten unzählige Male untersucht. Und es stimmt tatsächlich, dass die Aktienmärkte zwischen Oktober und April im Durchschnitt die besten Renditen erzielten. Im Mai wurde zwischen 1929 und 2012 eine durchschnittliche Rendite von 0,0% erzielt. In den Sommermonaten konnten in der Vergangenheit allerdings durchaus positive Renditen erwirtschaftet werden, nicht selten kam es zu einer sogenannten „Sommer-Rallye“. Im untersuchten Zeitraum verzeichneten der Juni und der August im Schnitt jeweils ein Plus von 0,7% und der Juli sogar einen Gewinn von durchschnittlich +1,5%. Auffällig ist jedoch, dass der September mit einem durchschnittlichen Verlust von -1,1% der schlechteste Monat des Jahres ist. Statistisch gesehen scheint es daher am besten zu sein, gegebenenfalls erst Ende September einzusteigen. Jedoch sind vergangene Ergebnisse natürlich keine Garantie für die Zukunft und in jedem Jahr verläuft die Börse unterschiedlich.
2. The January-effect / As goes January, so goes the year
Diese beiden Börsenweisheiten klingen vielleicht etwas seltsam. Der „Januar-Effekt“ wurde erstmals 1942 von einem Bankier namens Sidney B. Warchel entdeckt. Er machte die Beobachtung, dass kleinere Aktien die grösseren in Bezug auf die Januarrendite seit 1925 stets schlugen. Dem Januar-Effekt zufolge tendiert der Aktienmarkt dazu im Januar zu steigen, da institutionelle Investoren im Dezember ihre Portfolios bereinigen und verlustbringende Positionen verkaufen. Durch dieses sogenannte Window Dressing sehen die Portfolios dann im Jahresbericht attraktiver aus und enthalten vor allem Werte mit starker Performance. Im Januar investieren die Fondsmanager die freigewordenen Mittel dann wieder an der Börse. Vor allem im dritten Amtsjahr eines amerikanischen Präsidenten waren, dem Bankier zufolge, die zu erwartenden Renditen am höchsten. Der Januar-Effekt trat in der Vergangenheit tatsächlich recht häufig auf, aber jüngste Forschungen von Goldman Sachs zeigen, dass das Phänomen offenbar deutlich nachlässt: Die Chancen auf einen guten Januar liegen jetzt bei 50 /50.
Doch dem Januar wird auch noch eine zweite Bedeutung beigemessen: Nach Ansicht vieler Börsenexperten bestimmt das Ergebnis des Monats Januar den restlichen Verlauf des Börsenjahres. Steigen die Aktienmärkte im Januar beispielsweise, so würde dies auf ein positives Börsenjahr hindeuten. Fallen die Kurse hingegen, so dürfte kein gutes Börsenjahr bevorstehen. Die Interpretation des Januars als Jahres-Indikator ist fraglich und möglicherweise hätten andere Monate ähnliche Trefferquoten für die jeweils folgenden 11 Monate.
3. I don’t like Mondays
Am Montagmorgen, dem 29. Januar 1979, eröffnete ein Schütze das Feuer auf eine Grundschule in San Diego. Der Schütze soll als Grund dafür angegeben haben, dass er Montage nicht mag. Der Sänger Bob Geldof schrieb als Antwort auf die Tat den Song „I Don’t Like Mondays“. Ab dem Jahr 1997 beobachteten Ökonomen, dass Börsen oft freitags steigen und montags fallen. Nachrichten, die am Wochenende angekündigt werden, können von den Investoren erst am Montag verarbeitet werden. Auch ereigneten sich mehrere Börsencrashs an Montagen. Denken Sie an den Schwarzen Montag von 1987 und 1929. Zuletzt fielen im Jahr 2015 die Märkte an einem Montag drastisch, nachdem die Sorgen um die chinesische Wirtschaft zugenommen hatten. Aufgrund einer Häufung der oben genannten Ereignisse, denken viele Investoren, dass Montage oft eher durchwachsene oder schlechte Börsentage sind.
Auf den Montag folgt dann oft der sogenannte „Turnaround Tuesday“ also ein Dienstag, an dem den Kursen die Kurve nach oben wieder gelingt. Aus statistischer Sicht gibt es jedoch keine belastbaren Daten zur Stützung dieser gern gelglaubten Thesen und auch die Bezeichnung „Black Friday“ für Börsencrashs an Freitagen spricht eigentlich dagegen.
4. Don’t try to catch a falling knife.
„Versuche, kein fallendes Messer zu fangen“. Wann diese Formel in der Öffentlichkeit bekannt wurde, ist nicht ganz klar. Vermutlich kam dieser Spruch bereits auf, als es zu den ersten stärkeren Einbrüchen an der Börse kam. Die Aussage bedeutet in Bezug auf die Börse, dass man keine stark fallende Aktie kaufen sollte. Ein rasch sinkender Aktienkurs mag als eine günstige Gelegenheit erscheinen, aber oftmals fällt der Kurs einer Aktie nicht ohne Grund so stark und oft setzt sich der Kurseinbruch dann auch noch weiter fort. Deshalb kann eine stark fallende Aktie am besten mit einem fallenden Messer verglichen werden. Wenn man versucht, dieses zu fangen, kann man sich ernsthaft verletzen. Es ist also besser, bei einer Aktie zunächst eine Bodenbildung abzuwarten, bevor man eine überstürzte Kaufentscheidungen trifft, die oft schon bald bereut wird.
5. If you can’t stand the heat, stay out of the kitchen.
„Wenn du die Hitze nicht aushältst, bleib von der Küche fern.“ Dieser Ausspruch kam 1942 während des Zweiten Weltkriegs auf. Eine ähnliche Aussage machte der kommende amerikanische Präsident Harry S. Truman in einem Interview mit einer Lokalzeitung aus dem amerikanischen Bundesstaat Idaho. Als sich ein Soldat abfällig über die Geschwindigkeit des Vorrückens äusserte, antwortete er: „If you don’t like the heat, get out of the kitchen“.
Truman nutzte dieses Zitat zwischen 1945-1953 als Präsident der USA mehrmals. Mit dem Spruch meinte er natürlich, dass man sich nicht in eine Lage bringen sollte, in der man dem Druck nicht gewachsen ist. Diese Aussage wird in der Börsenwelt verwendet, um aufzuzeigen, dass Sie nicht investieren sollten, wenn Sie die unweigerlichen Kursschwankungen nicht ertragen können.
6. Buy on the rumour, sell on the fact.
Dies ist eine der bekannteren Börsenweisheiten, und sie ist oft zutreffend. Gemäss dieser Weisheit sollten Sie zu dem Zeitpunkt eines Gerüchts kaufen, und sobald die Tatsache dann bekannt wird, verkaufen. Oft sehen wir, dass sich die Börse oder einzelne Aktien in Erwartung eines Ereignisses in eine bestimmte Richtung bewegen, obwohl dieses noch längst nicht eingetreten ist. Wenn das Ereignis dann eintritt, beginnen sich die Kurse dann oft überraschenderweise in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen.
7. The trend is your friend (paddle with the stream)
Diese Börsenweisheit ist besonders bei technischen Analysten beliebt. Aktienmärkte bewegen sich oft in Trends und sich gegen diese zu stellen, kann für Ihr Portfolio manchmal sehr schmerzhaft sein. Nach dieser Weisheit ist der Börsentrend Ihr Freund und Sie müssen lediglich mit dem Strom schwimmen. So ist Ihre Chance auf Rendite am grössten.
Diese Aussage hat einen wahren Kern, denn auch wenn sich jeder Trend einmal umkehrt, so bestehen die meisten Tendenzen oft länger als von den meisten Marktteilnehmern erwartet.
8. Stocks take the stairs up and the elevator down
Dieses bekannte Sprichwort verweist darauf, dass die Aktienmärkte oft nur langsam steigen, aber wenn es an der Zeit ist, dafür umso schneller sinken. Denn Anleger verfallen oft in Panik, sobald ihre Aktien zu fallen beginnen. Darüber hinaus investieren viele Anleger auf Margin d.h. auf Kredit. Infolgedessen sind sie bei fallenden Kursen früher oder später gezwungen, ihre Positionen zu reduzieren. Dies führt dann zu einem Dominoeffekt, denn durch diese Verkäufe fallen die Aktien noch weiter. Wir konnten dieses Phänomen vor nicht allzu langer Zeit an den Börsen beobachten. Der S&P 500 stieg von Mitte 2017 bis Ende 2018 von rund 2.400 Punkten auf über 2.900 Punkte. Dieser Anstieg dauerte somit mehr als ein Jahr. Der Rückgang von knapp 2.900 auf rund 2.400 Punkte dauerte dann allerdings nur von Anfang Oktober bis Ende Dezember 2018, also nur knapp 3 Monate. Ein noch extremeres Beispiel ist der Crash von 2008, bei dem die Aktien innerhalb von 1,5 Jahren ihren Anstieg von 5 Jahren zunichtemachten.
9. Buy the dip
BTD oder Buy The Dip ist ein sehr bekanntes Anlegermotto und bedeutet, dass Sie eigentlich jeden Einbruch (Dip / Drop) kaufen sollten, da Aktienkurse langfristig gesehen immer steigen.
Die historisch durchschnittliche Aktienrendite pro Jahr liegt inklusive Dividende bei rund +6% bis +7%. Die Äusserung greift jedoch etwas zu kurz. Natürlich sollten Sie auch immer darauf achten, was und wann Sie kaufen, denn nicht alle Aktien bleiben für immer an der Börse. Und ein überschaubarer Kursrückgang von zunächst -10% kann in einem starken Bärenmarkt durchaus auch noch Verluste von -50% oder mehr bringen. Ein relativ sicherer Weg ist es nach wie vor, monatlich ETFs auf Indizes zu kaufen, und bei Dips nur ein wenig extra zu setzen.
10. Buy low, sell high (Fear, thats the other guy’s problem)
Diese Weisheit sollte mit einem Augenzwinkern aufgenommen werden. Das Zitat wurde durch den legendären Börsenfilm „Trading Places“ bekannt. Im Film erzählt ein erfolgreicher Geschäftsmann einem Verbrecher, wie er an seinem ersten Arbeitstag vorgehen soll. Schlussendlich geht es beim Trading „nur“ darum: tief kaufen und hoch verkaufen. Wenn es nur so einfach wäre…
11. Cash is king
Diese Börsenweisheit ist wahrscheinlich 1988 nach dem Börsencrash von 1987 entstanden. Nachdem der CEO von Volvo das Sprichwort öffentlich benutzt hatte, wurde dieses einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Bis heute wird die Aussage noch immer häufig verwendet, vor allem in Zeiten einbrechender Börsenkurse. Wer seine Aktien rechtzeitig verkauft hat und auf Barmitteln sitzt, kann einen Börsencrash komfortabel von der Seitenlinie aus verfolgen. Wer dann über die nötige Liquidität verfügt, kann diese dann später nutzen, um günstig stark abgestrafte Aktien zu kaufen.
12. Don’t fight the Fed
Diese Aussage wurde 1994 besonders populär, nachdem die Fed die Zinsen sehr schnell angehoben hatte. In den letzten Jahren hat sie wieder an Popularität gewonnen, da nach Ansicht vieler Analysten hauptsächlich die lockere Geldpolitik der Fed für den starken Anstieg des Aktienmarkts der letzten Jahre verantwortlich ist. Das sogenannte „Quantative Easing“ führte zu extrem niedrigen Zinsen und einer enormen Liquidität, die ihren Weg offenbar hauptsächlich an die Börse fand. Diese Börsenweisheit enthält auch ein kleines Augenzwinkern gegenüber Shortsellern also Leerverkäufern.
13. TINA
TINA steht für There Is No Alternative. Obwohl diese Aussage in England bereits im 19. Jahrhundert verwendet wurde, hat sie im 21. Jahrhundert eine ganz andere Bedeutung angenommen. Heutzutage ist TINA eher aus der Finanzwelt bekannt und verweist auf die Tatsache, dass es vor allem in Niedrigzinszeiten zu Aktien keine bessere Anlagealternative gibt. Nach der Finanzkrise sanken die Zinsen auf ein historisch niedriges Niveau, so dass beispielsweise Staatsanleihen kaum noch Rendite abwerfen.
Auch Investitionen in Rohstoffe sind keine Alternative, wenn die Inflationsraten moderat sind.
14. If bull markets climb up a wall of worry, then bear markets slide down a slope of hope
Diese Börsenweisheit besagt, dass man sich bei steigenden Aktienkursen von negativen Meldungen in den Medien nicht negativ beeinflussen lassen sollten. Die Börsen erklettern wortwörtlich „eine Mauer aus Angst“. Es gibt in Bullenmärkten immer wieder Gründe dafür, dass Aktien fallen könnten, dennoch steigen sie wie in jüngster Vergangenheit oft über etliche Jahre.Viele Anleger verpassen diese Anstiege, da sie sich aufgrund von immer wieder neuen beunruhigenden Nachrichten nicht trauen einzusteigen. So konnte in den vergangenen Jahren weder die Euro-Krise, noch Spannungen in Nahost (z.B. Iran) oder der Handelskrieg zwischen China und den USA die Aktienmärkte ins Wanken bringen. Vor allem die US-Börsen erzielten immer wieder neue Hochs.
Hellt sich die Stimmung jedoch auf, so haben die meisten Investoren ihr Geld angesichts steigender Aktienkurse bereits investiert. Es gibt dann jedoch nicht mehr genügend Anleger für neue Käufe. Die Märkte beginnen dann bei positiver, manchmal sogar euphorischer Stimmung zu fallen. Die investierten Anleger hoffen dann bei jeder kleinen Kurserholung, dass sich das Blatt nun wendet, oft so lange bis sie irgendwann das Handtuch werfen und wieder an die Seitenlinie wechseln. Das „Spiel“ beginnt dann von neuem. Schon Warren Buffet meinte treffend: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
15. Let your profits run and cut your losses short
Eine wichtige Lektion für jeden Investor und Trader. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Gewinne laufen lassen und dass Sie Ihre Verluste schnell begrenzen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten Menschen von Natur aus zum Gegenteil neigen, denn sie agieren oft nicht rational. Der Anleger neigt dazu, Gewinne schnell zu sichern und im Falle eines Verlustes zu hoffen, dass sich alles wieder zum Positiven wendet. Wenn Sie hingegen Ihre gewinnbringenden Trades laufen lassen und Ihre verlustbringenden Trades schneller beenden, erzielen Sie langfristig eine erheblich bessere Rendite. Wenn Sie 5 mal 10% gewinnen und 5 mal 5% verlieren, werden Sie trotzdem einen Gewinn erzielen, obwohl Sie lediglich bei 50% Ihrer Investitionen richtig lagen. Umgekehrtes Verhalten führt entsprechend zu Verlusten.
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