Ausgewählte Trader beantworten unseren standardisierten Fragebogen. Die Vergleichbarkeit der Fragen und die Unterschiedlichkeit oder eben die Ähnlichkeit der Antworten zeichnen dieses Interviewkonzept aus. Heute antwortet uns der Berufstrader Jörg Hofmann*.
Guten Tag Herr Hofmann, die Lynxbroker-Redaktion freut sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Vielleicht können Sie sich uns zu Beginn ein wenig vorstellen und uns erzählen wann und wie Sie auf die Börse gekommen sind?
Angefangen hat alles zu der Zeit des Dotcom Booms um das Jahr 2000. Während des Abiturs blieben genügend Freistunden um sich ein wenig mit Aktien zu beschäftigen und dank eines Sommerjobs war auch ein wenig Kapital da um ein Depot aufzumachen. Einige der ersten Trades wurden sogar per Telefon getätigt da die Internetverbindungen noch nicht der Renner waren. Kaum vorstellbar heute…
Jeder erfolgreiche Trader oder Anleger hat zu Beginn seiner Laufbahn als „Lehrgeld“ mindestens ein, wenn nicht gar mehrere Konten „platt“ gemacht, so hört man immer wieder. Können Sie auch auf schmerzhafte Niederlage zurückblicken und was haben Sie daraus gelernt?
Absolut, leider muss diese Erfahrungen wohl fast jeder machen. Undiszipliniertheit, die leider ein Problem vieler Einsteiger ist, wird meist recht teuer bestraft. Anfangs habe ich zu sehr versucht bei Verlusten den Einstand über Nachkäufe zu “verbilligen” anstatt konsequent meinen Stopp einzuhalten. Dadurch kamen natürlich überproportional grosse Verluste zustande und ich musste mein Konto mehrmals auffüllen bevor ich begriff, dass ohne ein sinnvolles Trade-Management kein langfristiger Erfolg möglich sein wird.
Gab es ausser Verlusten noch andere Schwierigkeiten (z.B. psychologisch, zu wenig Startkapital…) die Sie schliesslich meistern konnten?
Startschwierigkeiten gab es mehrere. Wie im ersten Teil beschrieben waren die Internetverbindungen noch nicht auf dem heutigen Level und man war damit nicht jederzeit auf dem aktuellen Stand der Dinge. Ein weiteres Problem war auf jeden Fall mein recht kleines Depot, das keine grösseren Verlustserien verkraften konnte. Fehlende Erfahrung und Inkonsequenz im Trading kamen ebenfalls dazu.
Was glauben Sie, warum sind Sie als Trader erfolgreich in diesem Geschäft geworden und haben letztendlich den Durchbruch geschafft, während viele andere letztlich scheitern?
Der “Durchbruch” war ein Prozess über einen längeren Zeitraum. Im Laufe der Zeit verstand ich gewisse technische Marktstrukturen für Setups und habe ausserdem gelernt, dass einkalkulierte Verluste zum Trading dazugehören. Diese dürfen unter keinen Umständen aus dem Ruder laufen! Das ist extrem wichtig in meinen Augen.
Haben Ihnen Vorbilder oder Mentoren geholfen ihren Weg zu finden?
Im Freundeskreis haben einige Kumpels ebenfalls gehandelt und man konnte sich gegenseitig ein wenig helfen und ein paar Dinge abgucken. Auch der Austausch mit anderen in Foren und Chats war hilfreich.
Mit welchem bekannten Trader oder Investmentlegende würden Sie denn gerne einmal einen Kaffee trinken?
Kyle Bass wäre ein interessanter Gesprächspartner.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, halten Sie sich strikt an einen speziellen Tradingplan oder führen ein Trading-Tagebuch?
Ich beginne ca. 1,5 -2h vor Eröffnung mit dem Arbeiten. Dabei werden Setups durchgespielt von interessanten Aktien und natürlich nach News geschaut die für Bewegung sorgen könnten, z.B. Quartalszahlen, oder aktuelle Nachrichten die wichtig erscheinen wie z.B. momentan die Eskalation der Polizeigewalt in den USA die für Aktien wie TASR, etc. interessant sind.
Das soziale Umfeld von Arbeitskollegen oder Kunden fehlt bei den meisten Berufs-Tradern. Viele sind deshalb auch in sozialen Netzwerken unterwegs um sich mit Trader-Kollegen auszutauschen. Sehen Sie sich als beruflichen „Lonely Wolf“ bzw. wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Persönlich arbeite ich wesentlich effizienter wenn ich komplette Ruhe habe und ich nicht abgelenkt bin. Natürlich ist es aber schon gut Kontakt mit anderen Tradern zu haben. Sollte es mal ruhiger zugehen bin ich in Chats mit befreundeten Tradern verbunden. Der Austausch mit anderen hat ganz klar den Vorteil, dass man auch auf Situationen aufmerksam gemacht wird die einem sonst evtl. entgangen wäre oder auch einfach nur eine andere Perspektive der Situation erhält.
Was bedeute Ihnen Trading bzw. eigenständiges Anlegen und was ist für Sie das schönste daran?
Freiheit. Die örtliche Ungebundenheit erlaubt einem zu reisen und man wird für seine Ideen und Disziplin belohnt. Ausserdem quatscht einem keiner rein, wenn man das so sagen darf.
Was würden Sie denn beruflich machen, wenn das mit dem Trading nicht geklappt hätte?
Hoffentlich Heliski-Guide in Kanada sein.
Ist Ihnen mal ein aussergewöhnlicher Trade gelungen an den Sie gerne zurückdenken?
Die besten Trades waren meist kleine, realisierte Verluste bei Shorts. Das hört sich jetzt evtl. seltsam an aber diese haben mich vor sehr grossen Verlusten bewahrt. Vor ein paar Wochen hatte ich beispielsweise einen Short in VLTC der aber nicht richtig anlief und ich deshalb den Trade mit geringem Verlust im Bereich von 4 USD wieder geflattet habe. In den folgenden Wochen stieg die Aktie auf über 20 USD was einen Monsterverlust nach sich gezogen hätte falls ich nicht konsequent meinen Stopp eingehalten hätte.
Jeder Trader oder Anleger braucht einen individuell passenden Handels-Stil basierend auf Techniken, Märkten und Zeitrahmen. Wie sieht Ihr Stil aus, nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Trades aus?
Am liebsten handele ich in den ersten 1-2 Stunden des Tages, da man dort am meisten Vola und damit sehr schnelle Bewegungen im Markt hat. In diesem Zeitraum finden die meisten meiner Trades statt. Das Ganze ist eine Mischung aus technischem Handel und Fundamentalanalyse. Wichtig ist mir Liquidität und Volatilität um problemlos in Trades rein zukommen und sie auch wieder schliessen zu können.
Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Trader/Anleger und im privaten Bereich?
Die Ziele sind recht ähnlich. Sich weiter zu verbessern und nicht auf alten Lorbeeren auszuruhen, d.h. sich sowohl privat als auch beruflich weiter zu entwickeln. Offen sein für neues!
Welche Hobbies begeistern Sie, d.h. wie verbringen Sie tradingfreie Tage am liebsten?
Am liebsten draussen in der freien Natur. Sport hilft mir meinen Kopf frei zu kriegen. Ein schöner Pulvertag beim Skifahren oder eine Runde auf dem Mountainbike mit Freunden sind ein toller Ausgleich.
Welche Tipps geben Sie unerfahreneren Kollegen oder Lesern mit auf den Weg?
Wie mehrmals im Interview geschrieben sollte man ein solides Trade-Management haben. Man spielt vor dem Trade durch wo man einsteigt und legt dann auch gleich Gewinnziele fest an denen man Profite einsteicht. Oder falls der Trade gegen einen läuft wo man den Verlust realisiert und den Trade beendet um einen desaströsen Verlust zu vermeiden. Jeder grosse Verlust war zu Anfang ein kleiner!
Herr Hofmann, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
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*Anmerkung der Redaktion: Name und Bild zum Schutz der Privatsphäre geändert.