Ausgewählte Trader beantworten unseren standardisierten Fragebogen. Die Vergleichbarkeit der Fragen und die Unterschiedlichkeit oder eben die Ähnlichkeit der Antworten zeichnen dieses Interviewkonzept aus. Heute antwortet uns Mike Rückert, Berufstrader und Chefredakteur des Börsendienstes „Optionen Trader“ vom Investor Verlag.
Guten Tag Herr Rückert, die LYNX Broker-Redaktion freut sich sehr, dass Sie sich Zeit für ein Interview mit uns nehmen. Vielleicht können Sie sich uns zu Beginn ein wenig vorstellen und uns erzählen, wann und wie Sie auf die Börse gekommen sind?
Ja, gern. Die ersten Gehversuche habe ich im Zuge meiner Bankausbildung mit Aktien 1992 unternommen, inspiriert von einem Freund, der mit Aktiengewinnen seinen Urlaub finanziert hatte. Die scheinbar einfache Möglichkeit, schnell mit ein paar Trades zu einem Vermögen zu gelangen, liess mich von da an nicht los. Aber mangelndes Risikomanagement und Gier sorgten immer wieder dafür, dass sich stattliche Gewinne im Zeitablauf auch wieder vollständig pulverisierten.
Erst das Wissen und die Erfahrungen aus meiner beruflichen Tätigkeit als Portfolio- und Fondsmanager und Händler bei verschiedenen Privatbanken führten dann einige Jahre später dazu, dass ich Handelsansätze anwendete, die die Bezeichnung Strategie überhaupt verdienten. Durch die ganztägige Beschäftigung mit dem Börsenhandel und dem Zugang zu professionellen Datenquellen wie Reuters oder Bloomberg hatte man Mitte/Ende der Neunzigerjahre dazu noch einen ganz erheblichen Informationsvorteil gegenüber Privatinvestoren.
Jeder erfolgreiche Trader oder Anleger hat zu Beginn seiner Laufbahn als „Lehrgeld“ mindestens ein, wenn nicht gar mehrere Konten „platt“ gemacht, so hört man immer wieder. Können Sie auch auf schmerzhafte Niederlagen zurückblicken und was haben Sie daraus gelernt?
Ich habe leider in den Anfangsjahren fast alle Fehler gemacht, die möglich sind. Immer geglaubt, dass es „mit einer Abkürzung“ auch funktionieren könnte. Mein Depot dabei plattgemacht zu haben, gehörte dazu. Auch den mal zusätzlich zur Spekulation eingesetzten Dispokredit zurückzahlen zu müssen, ohne etwas dafür bekommen zu haben, war schmerzliches Lehrgeld und teuer obendrein.
Diese Erfahrungen wirkten wie eine kalte Dusche. In deren Folge spielten Faktoren wie angemessene Positionsgrössen, Tradeplanung, Diversifikation zwischen Strategien und Märkten usw. dann endlich eine entscheidende Rolle in meinem Trading.
Gab es ausser Verlusten noch andere Schwierigkeiten (z.B. psychologisch, zu wenig Startkapital …), die Sie schliesslich meistern konnten?
Ja, die gab es. Ich hatte mich zwar intensiv auf die Herausforderungen als selbstständiger Trader vorbereitet. Kaum war mein Ausstieg aus dem alten Beruf vollzogen, kam aber die ungeplante Nachricht, dass ich nochmals Vater werden würde. Damit war verbunden, dass für mehrere Jahre das eingeplante Teilzeiteinkommen meiner Frau wegfallen würde, was meine Planungen gleich am Anfang hinwegfegte.
Mit Frau, 2 Kindern und einem Haus im nicht allzu billigen Hamburg war damit der Erfolgsdruck von Anfang an höher als geplant. Denn insbesondere den psychologischen Druck, von einem sehr einträglichen und verlässlichen monatlichen Einkommen nunmehr vollständig auf ein unregelmässiges Börseneinkommen umzustellen, darf man nicht unterschätzen.
Mit dem Schritt, meine Trades öffentlich in einem eigenen Börsenbrief zum Nachhandeln vorzustellen, sicherte ich mir ein Nebeneinkommen, normalisierte dadurch den Erfolgsdruck auf ein verträgliches Mass und hatte noch den Vorteil, eine interessante Abwechslung und regelmässigen Kontakt mit anderen angehenden Tradern/Lesern zu bieten. Denn bei der Umstellung vom Abteilungsleiter mit vielen Mitarbeitern hin zum „Alleinkämpfertum“ als Trader war auch zwangsläufig viel von dem gewohnten sozialen Austausch verloren gegangen. Die Bedeutung solcher sozialen Rahmenfaktoren sollte man als angehender Trader nicht unterschätzen.
Was glauben Sie, warum sind Sie als Trader erfolgreich in diesem Geschäft geworden und haben letztendlich den Durchbruch geschafft, während viele andere letztlich scheitern?
Ich hatte das Privileg, neben Studium und Bankausbildung gleich vom Start weg im Wertpapiergeschäft arbeiten zu können. Als Trader braucht man das Wissen und Erfahrung über die Funktionsweise der verschiedenen Märkte, die alle unterschiedlich ticken. Man muss sich intensiv damit befassen, was viel Zeit kostet, regelmässig Rückschläge einstecken und vor allem geeignete Strategien finden. Diesen notwendigen Lernprozess und die damit verbundene Arbeit konnte ich quasi durch meine Stationen im Fondsmanagement und der Vermögensverwaltung frühzeitig mit abdecken.
Viele Trader scheitern letztendlich, weil sie alle mit ähnlichen Ansätzen ohne einen strategiebedingten Vorteil agieren. Die meisten sind dabei immer auf der Suche nach einem heissen Tipp, dem Superindikator und haben nur sehr selten eine Strategie, von der sie wissen, ob und wie gut diese funktioniert, welche realistische Rendite in verschiedenen Marktphasen erzielbar ist, wie hoch und wie lange ein Draw Down ausfallen kann usw. usf. Ohne dieses Wissen ist Börsenhandel jedoch ein reines Glücksspiel.
Als „normaler“ Trader, der kein Genie ist, braucht man meiner Meinung nach aber einen statistischen Vorteil auf seiner Seite. Vergleichbar mit einer Versicherung oder einem Kasino. Beide machen zwar ebenfalls regelmässig Verluste (versichertes Haus brennt ab, Spieler geht mit einem Gewinn nach Hause) wie ein Trader, sind aber langfristig trotzdem sehr profitabel. Diesen Vorteil sichere ich mir durch Strategien, die einen robusten statistischen und erklärbaren Basiseffekt aufweisen, sowie durch den Optionshandel, der durch die Möglichkeit, einen sicheren Zeitwert zu vereinnahmen, ähnliche Vorteile bietet. Es bietet zudem auch einen unschätzbaren psychologischen Vorteil, Strategien umzusetzen, die z.B. reproduzierbare Trefferquoten von 80% bis 90% aufweisen.
Haben Ihnen Vorbilder oder Mentoren geholfen, Ihren Weg zu finden?
Ja, die gab es in meinen frühen Berufsjahren. Als selbstständiger Trader habe ich natürlich auch Inspiration von Dritten erhalten, bin diesen Weg aber allein gegangen.
Mit welchem bekannten Trader oder welcher Investmentlegende würden Sie denn gerne einmal einen Kaffee trinken?
Warren Buffet aus dem Investmentbereich wäre spannend oder aus dem Tradingbereich Larry Williams.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, halten Sie sich strikt an einen speziellen Tradingplan oder führen Sie ein Trading-Tagebuch?
Ich handle im ganz überwiegenden Masse an den US-Märkten, sodass ich bis zum Nachmittag die Zeit überwiegend mit Recherchen, dem Schreiben meiner Börsendienste und dem Konzipieren und Testen neuer Strategien und Trades verbringe. Über alle Strategien pflege ich zudem täglich Statistiken und Auswertungen mit für mich relevanten Daten. Ein Trading-Tagebuch benötige ich allerdings nicht als Rückkopplung für mich, wenngleich meine Statistiken einige Elemente daraus enthalten.
Das soziale Umfeld von Arbeitskollegen oder Kunden fehlt bei den meisten Berufs-Tradern. Viele sind deshalb auch in sozialen Netzwerken unterwegs, um sich mit Trader-Kollegen auszutauschen. Sehen Sie sich als beruflichen „lone wolf“ bzw. wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Klar fehlt ab und zu der direkte Plausch beim Kaffee mit früheren Kollegen und Mitarbeitern. Es gibt allerdings sehr viel mehr Punkte, angefangen von vielen überflüssigen Meetings bis hin zum Zwang, häufig Kompromisse eingehen zu müssen, die mir überhaupt nicht fehlen. Durch mein öffentliches Trading und den Austausch im Rahmen meines Börsenbriefs Optionen Trader sowie mit einigen befreundeten Tradern bin ich mit meiner Situation zufrieden. Nachdem ich mir bereits einmal längere Zeit ein Büro mit einem – dann leider umgezogenen – Trader geteilt habe, werde ich vielleicht erneut eine solche Konstellation suchen.
Was bedeutet Ihnen Trading bzw. eigenständiges Anlegen und was ist für Sie das Schönste daran?
Beim Trading ist man einzig und allein für seinen Erfolg verantwortlich. Ohne jede Ausreden. Man muss sich für seine Entscheidungen nicht mehr gegenüber Vorgesetzten oder Mitarbeitern rechtfertigen oder erklären. Ganz viele Dissonanzen fallen dadurch weg. Ich finde das herrlich.
Was würden Sie denn beruflich machen, wenn das mit dem Trading nicht geklappt hätte?
Schwer zu sagen. In Vollzeit wieder als Angestellter zu arbeiten, kann ich mir eigentlich nicht mehr vorstellen. Ich suche zwar immer nach weiteren Geschäftsideen und habe auch schon die eine oder andere gefunden. Wahrscheinlich würde ich dann eine solche Idee umsetzen. Bislang habe ich dies aber nicht getan, weil das Aufwand-Nutzen-Verhältnis – bei gleichzeitig jederzeitiger Verfügbarkeit des Investitionskapitals – beim Trading nur ganz schwer zu toppen ist und die darin investierte Zeit sich am besten rentiert.
Ist Ihnen mal ein aussergewöhnlicher Trade gelungen, an den Sie gerne zurückdenken?
Ja, noch in meiner „Anfänger-Zeit“ ist einmal eine meiner Tradeideen, eine Option auf spanische Peseta-Anleihen, mit einem Anstieg von rund 5.000 DM auf fast 100.000 DM aufgegangen. Pures Glück, denn viel Ahnung zum Thema Zinstrend in Spanien hatte ich damals – aus heutiger Sicht – nicht. Auf Glück kann man an der Börse aber nicht vertrauen: Folgerichtig habe ich diesen Gewinn mit anderen Trades in der Folgezeit wieder „an die Börse zurückgezahlt“. Auch heute schlage ich mir noch an den Kopf, wenn ich darüber nachdenke.
Jeder Trader oder Anleger braucht einen individuell passenden Handels-Stil basierend auf Techniken, Märkten und Zeitrahmen. Wie sieht Ihr Stil aus, nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Trades aus?
Ich setze ungefähr ein Dutzend verschiedene Strategien bzw. Handelssysteme über ganz verschiedene Märkte und Zeitebenen um. Die Strategien sind nicht miteinander korreliert, um eine ausgleichende Portfoliowirkung zu haben. Fast alle meiner Strategien sind systematisch basiert, d.h., die Umsetzung erfolgt immer auf Grundlage derselben Faktoren, Parameter und Regelwerke ohne bzw. mit einem nur geringfügigen diskretionären Einfluss. Einen substanziellen Anteil bilden verschiedene Optionsstrategien, die auf die regelmässige Vereinnahmung des Zeitwertes abzielen. Der Zeithorizont reicht von Tagen hin bis zu wenigen Wochen. Lediglich mein Steckenpferd, fundamental basierte Investments in Aktien – Mid- und Small-Caps – bilden hier von der Herangehensweise und der mittelfristigen Fristigkeit eine Ausnahme.
Welche Wünsche und Ziele haben Sie als Trader/Anleger und im privaten Bereich?
Im privaten Bereich stehen das Glück und die Gesundheit im Familien- und Freundeskreis, besonders meiner Kinder, an der ersten Stelle meiner Wünsche. Mal wieder über einige Wochen Länder wie Kanada, die USA oder Venezuela bereisen zu können, das wäre traumhaft. Mit zunehmendem Alter meiner Kinder sollte dies aber irgendwann wieder auf der Agenda stehen. Als Trader wünsche ich mir vor allem stabile politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen und dass ich in der Zukunft noch genauso viel Lust auf Trading habe wie heute.
Welche Hobbys begeistern Sie, d.h., wie verbringen Sie tradingfreie Tage am liebsten?
Das Haus und die Kinder saugen derzeit noch einen Grossteil meiner Freizeit auf. Hier gibt es immer was zu tun. Daneben habe ich noch eine „altmodische“ Herrenrunde, bei der seit gut 17 Jahren jeden Donnerstagabend bis in die Nacht Karten gespielt wird. Und regelmässige Konzertbesuche gehören dazu. Für eine klasse Band oder ein grandioses Festival fliege ich auch mal weiter weg ins Ausland und habe so schon einige erinnerungswürdige Abende erleben können.
Welche Tipps geben Sie unerfahreneren Kollegen oder Lesern mit auf den Weg?
Riskieren Sie nie mehr, als Sie – auch mental – verkraften können. Testen Sie jede Strategie, bevor Sie sie einsetzen, wie diese sich in verschiedenen, möglichst langen, Zeiträumen und in verschiedenen Marktphasen verhalten hat. Legen Sie mehr Wert auf Robustheit der Strategie als auf Performanceoptimierung (Tipp: Jede Strategie immer auch „out of sample“ testen!). Ziehen Sie mit in Betracht, dass eine Strategie in der Zukunft möglicherweise nicht mehr so gut funktionieren wird, weniger Performance abwirft, ein Draw Down höher ausfällt oder länger dauert als geplant. Diversifizieren Sie daher durch Aufteilung auf verschiedene, voneinander unabhängige Handelsstrategien und bauen Sie Ihre Trader-Karriere nicht nur auf einem System bzw. einem Ansatz auf.
Und seien Sie skeptisch, wenn Sie die vielen angeblichen Börsen-Erfolgsgeschichten im Internet hören oder lesen. Es gibt an den Börsen nicht das oft in der Werbung gepriesene „geheime Wundersystem“, das garantiert immer hohe Gewinne abwirft und Sie in Kürze zum Millionär macht. Suchen Sie sich Ihren eigenen Weg. Das ist zwar etwas mühsamer, dafür aber erfolgversprechender.
Herr Rückert, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
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