Einen Kurssprung wie den des Mittwochs sieht man beim Dow Jones wahrlich nicht oft. Und nachdem es bei der gestrigen US-Notenbankentscheidung keine Überraschungen gab, hielt sich der Index auf seinem neuen Rekordlevel. Die Frage ist: Was fängt man konkret damit an?
Bis zum oberen Ende des Anfang August etablierten Aufwärtstrendkanals hätte der Dow Jones noch etwa 600 Punkte Luft … wobei die mit der Zeit weiter zunimmt, immerhin läuft die Linie nach oben. Markttechnisch überkauft ist er auch noch nicht. Und das gilt auch für die Wochenbasis, wo dieser Kurssprung als Reaktion auf das Wahlergebnis zudem ein bullisches Signal generierte, indem das US-Index-Flaggschiff in der oberen Begrenzungszone des zuvor im Zuge eines „Overshootings“ verlassenen 2022er-Aufwärtstrendkanals nach oben drehte und den Kanal dadurch erneut unter sich liess. Ein perfekter Pullback also.
Und auch, wenn sich US-Notenbankchef Powell in seiner gestrigen Pressekonferenz gezielt jeglicher Kommentierung zur politischen Entwicklung und möglicher, zukünftiger Einflüsse enthielt und die „Fed“ mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozent unspektakulär das tat, was man mehrheitlich erwartet hatte, war es doch auffällig, dass trotz dieser gewaltigen 1.500 Punkte-Rallye des Vortags kein Rücksetzer durch Gewinnmitnahmen auftauchte. Ist das nicht ein Beleg dafür, dass die Bullen noch „heiss“ sind und der Dow Jones weiter zulegen kann?
Das sicherlich, aber es ist keine Garantie dafür, dass sie auch wirklich weiter kaufen bzw. keine Gewinnmitnahmen anstehen. Wer darüber nachdenkt, erst jetzt, nach diesem Kursanstieg, neu Long zu gehen oder zuzukaufen, sollte folgende Aspekte vorher abwägen:
Expertenmeinung: Der Kursanstieg des Mittwochs wurde durch gewaltige Kursgewinne bei den Finanztiteln getragen, weil man davon ausgeht, dass die neue Trump-Administration Regulierungen umgehend aufheben wird, die die Risiken bei den Banken, die in der Subprime-Krise zutage traten, eindämmen sollten. Zudem preiste man positive Effekte durch die geplante Abschottung von Importen durch hohe Zölle ein. Zwar dürfte den meisten klar sein, dass dieser Schuss am Ende genauso nach hinten losgehen wird wie in Trumps erster Amtszeit, man dürfte sich aber sagen: Bis das passiert, ist es noch lange hin … und die Rallye, die ist eben jetzt. Was für sich genommen noch kein Grund wäre, Gewinne mitzunehmen statt zuzukaufen, aber doch ein Aspekt, den man im Hinterkopf behalten sollte.
Durch diese neuen Hochs weist der Index ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von 24,9 auf, was ganz ausserordentlich hoch ist. Ausserhalb von die Bewertung nach oben verzerrenden Rezessionen, ist das nur ganz wenige Male vorgekommen und löste sich in der Regel dadurch auf, dass die Kurse zurückkamen und nicht auf dem Weg rasant nachziehender Gewinne der im Dow gelisteten Unternehmen.
Heute werden zwei Aktien im Dow Jones ausgetauscht. Das Chemieunternehmen Dow Inc. weicht dem Farben-Konzern Sherwin Williams, Intel weicht … Nvidia! Das weiss man seit dem Wochenende. Und seither steigt die Nvidia-Aktie massiv. Oft ist es so, dass man im Vorfeld auf den Aufstiegs-Effekt wettet, der indes zum Bumerang wird, wenn so viele im Vorfeld noch einsteigen, dass dann, wenn die Fonds und ETFs sich auf die neue Zusammensetzung eingestellt haben, die Käufer fehlen.
Dass nach einem derart extremen Kurssprung nicht sofort Verkäufe auftauchen, ist kein Beleg der Stärke, weil, wer dabei ist, einfach abwartet, ob nicht noch mehr Käufe auftauchen, um nicht „zu billig“ Gewinne mitzunehmen. Wenn alle darauf lauern, was die anderen tun, passiert eben erst einmal nichts. Doch wenn dann nach zwei, drei Tagen nicht allzu viel nach oben geht, weil diejenigen, die auf die Wahl reagieren wollten, das längst getan haben und neue Argumente zum Einstieg nicht kommen, kann es leicht passieren, dass es mit den Gewinnmitnahmen ebenso läuft wie zuvor mit den Käufen: Wenn die ersten anfangen, laufen alle anderen hinterher.
Das sind keine Argumente für die Short-Seite. Und sie sind, angesichts der charttechnisch komfortablen Lage, auch keine zwingenden Gründe zu verkaufen, bevor es, eventuell, alle anderen tun. Charttechnisch anbrennen würde hier erst etwas, wenn der Dow Jones die Unterstützungszone 41.200 zu 41.585 Punkte brechen würde, die Zone also, über der er jetzt scharf nach oben gedreht hat. Aber es sind eben auch keine Argumente, jetzt noch auf den Zug aufzuspringen.
Fazit: Hier Long zu sein, wäre kein Problem, wenn man sich nach unten absichert, vor allem, wenn man nicht erst seit Mittwoch dabei ist. Jetzt erst neu Long zu gehen indes könnte sehr wohl zu einem Problem werden.
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